Biodegradation von Azofarbstoffen und sulfonierten Aromaten

AG Prof. Dr. Andreas Stolz

Der mikrobielle Abbau von Azofarbstoffen

Da sulfonierte Azofarbstoffe unter aeroben Bedingungen offenbar nur in seltenen Ausnahmefällen abgebaut werden, haben wir für diese Substanzgruppe eine Strategie zur anaerob/aerob-Behandlung der Fremdstoffe entwickelt. Hierbei wird die unter Bakterien weit verbreitete Fähigkeit zur anaeroben unspezifischen Reduktion der Azobindung mit der spezifischen Fähigkeit unserer Isolate zum aeroben Abbau von Aminobenzol- und Aminonaphthalinsulfonaten gekoppelt. Im Rahmen dieser Untersuchungen konnten wir durch eine gezielte anaerob/aerob Behandlung erstmals die mikrobielle Mineralisation von sulfonierten Azofarbstoffen erreichen (Haug et al., 1991; Kudlich et al., 1996).

Das von uns entwickelte biologische System wurde anschließend weitergehend verfahrenstechnisch in der Arbeitsgruppe von Prof. Hempel (TU Braunschweig) untersucht und stellte die Grundlage für eine technische Anlage für die Behandlung der Färbereiabwässer in einem Textilunternehmen dar.

Desweiteren hat unsere Arbeitsgruppe die molekularen Grundlagen für die unspezifische anaerobe Reduktion von Azofarbstoffen analysiert. Hierbei wurde die Beobachtung gemacht, dass die Zugabe von chinoiden Redoxmediatoren (insbesondere 2-Hydroxy-1,4-naphthochinon und Anthrachinon-2-sulfonat) zu einer signifikanten Erhöhung der anaeroben Reduktionsraten von Azofarbstoffen durch verschiedenste Bakterien führt (Kudlich et al., 1997). Hieraufhin wurde ein Modell entwickelt, in dem die Chinone enzymatisch durch die Bakterien reduziert werden und die reduzierten Chinone dann im zellfreien Raum in einer rein chemischen Reaktion die Azobindungen spalten. In weiterführenden Arbeiten erfolgte eine getrennte Analyse der biologischen Reduktion der Chinone durch die Bakterien und der chemischen Reduktion der Azofarbstoffe durch die reduzierten Chinone. Die Anwendbarkeit von chinoiden Redoxmediatoren zur Entfärbung von Azofarbstoffen hängt primär vom Redoxpotential der Chinone ab und es konnte ein „Redox-Fenster“ definiert werden, das eine optimale Entfärbung von Azofarbstoffen ermöglicht (Rau et al., 2002a).

Es konnte außerdem gezeigt werden, dass niedermolekulare Redoxmediatoren nicht nur die Reduktion hochpolarer sulfonierter Azofarbstoffe sondern auch die Reduktion pharmakologisch relevanter polymerer Azofarbstoffe ermöglichen (Rau et al., 2002b). Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die intrazelluläre Reduktion des Redoxmediators Lawson (2-Hydroxy-1,4-naphthochinon) in E. coli durch die „sauerstoffunempfindlichen“ Nitroreduktasen NfsA und NfsB katalysiert wird (Rau & Stolz, 2003).

Am Beispiel des Naphthalinsulfonsäuren abbauenden Stammes Sphingomonas xenophaga BN6 wurde nachgewiesen, dass Mikroorganismen im Rahmen ihres Stoffwechsels auch aktive Redoxmediatoren erzeugen und wir konnten hierbei in 4-Position substituierte Amino-1,2-naphthochinone als äußerst effektive Redoxmediatoren identifizieren (Keck et al., 1997, 2002).

Weiterhin wurde im Rahmen unserer Untersuchungen auch erstmals ein produktiver aerober Abbau eines sulfonierten Azofarbstoffs erreicht. Hierbei wurde nach einer längerfristigen Anpassungsphase der am Abbau von Sulfanilsäure beteiligte Stamm Hydrogenophaga intermedia S1 an die Verwertung von 4-Carboxy-4´-sulfoazobenzol adaptiert (Blümel et al., 1998).

Die molekularen Grundlagen des aeroben Abbaus von Azofarbstoffen wurden von uns am Beispiel der carboxylierte Azofarbstoffe abbauenden Stämme „Pseudomonas“ K24 und KF46 untersucht. Hierbei wurden die Gene der beiden Azoreduktasen kloniert und die Enzyme heterolog in E. coli expremiert. Diese Experimente erbrachten den überraschenden Befund, dass die beiden aeroben Azoreduktasen offenbar evolutionär unabhängig voneinander entstanden sind (Blümel et al., 2002; Blümel & Stolz, 2003; Bürger & Stolz, 2010)

Der mikrobielle Abbau von aromatischen Aminosulfonaten

Sulfonierte Aromaten werden in großem Maßstab von der chemischen Industrie produziert (z.B. als Detergenzien, Dispergiermittel, optische Aufheller, Ionenaustauscher und Pharmazeutika).

Diese Verbindungen sind in herkömmlichen Kläranlagen vielfach schwer abbaubar und können daher an vielen Stellen in der Umwelt nachgewiesen werden. Im Rahmen unserer Untersuchungen haben wir am Beispiel des Abbaus von Aminobenzol- und Aminonaphthalinsulfonaten die mikrobiellen Abbauwege substituierter aromatischer Sulfonsäuren aufgeklärt und verschiedene am Abbau beteiligte Schlüsselenzyme aufgereinigt und charakterisiert. Desweiteren wurden die genetischen Grundlagen dieser Abbauwege untersucht und neue Erkenntnisse über die Evolution der Fähigkeit zum Abbau von Sulfoaromaten gewonnen. Hierbei wurde am Beispiel des Abbaus von Aminonaphthalinsulfonsäuren durch Sphingomonas xenophaga BN6 gezeigt, dass die Naphthalinsulfonate durch eine initiale Desulfonierung zu den korrespondierenden Dihydroxynaphthalinen umgesetzt werden und dann über substituierte Hydroxychromencarbonsäuren und Hydroxybenzalpyruvate zu (substituierten) Salicylaten umgesetzt werden.

Durch detaillierte enzymatische Untersuchungen wurde gezeigt, dass für die Entwicklung eines produktiven Abbauwegs primär eine neuartige regioselektive desulfonierende „Naphthalinsulfonsäure-Dioxygenase“ erforderlich ist, während alle anderen benötigten Enzyme aus weiter verbreiteten Abbauwegen (insbesondere für Naphthalin) rekrutiert werden können. Hierbei wurde gezeigt, dass eine Reihe von Enzymen des Naphthalinabbauwegs zum Umsatz subtituierter Substrate befähigt sind (Kuhm et al., 1991a,b, 1993a,b; Nörtemann et al., 1994; Stolz, 1999).
Der Abbau von 4-Aminobenzolsulfonsäure (Sulfanilsäure) durch eine bakterielle Zweispezies-Kultur aus Hydrogenophaga intermedia S1 und Agrobacterium radiobacter S2 unterscheidet sich vom Abbauweg der Aminonaphthalinsulfonsäuren (und fast aller anderen sulfonierten Aromaten), da in diesem Abbauweg keine initiale Desulfonierung beobachtet wird und der xenobiotische Sulfonsäuresubstituent über mehrere enzymatische Schritte erhalten bleibt. Hierbei wurden 4-Sulfocatechol, 3-Sulfomuconsäure, „4-Sulfomuconolacton“ und Maleylacetat als Zwischenprodukte identifiziert.

Durch die Aufreinigung der beteiligten Enzyme wurde bewiesen, dass 4-Sulfocatechol durch modifizierte Protocatechuat-3,4-Dioxygenasen („Typ II Enzyme“) zu 3-Sulfomuconat oxidiert wird (Hammer et al., 1996). Die für die initialen Dioxygenasen kodierenden Gene wurden aus beiden Stämmen kloniert und charakterisiert (Contzen & Stolz 2000; Contzen et al., 2001). In weiteren Untersuchungen wurden die für die Folgereaktionen des 4-Sulfocatechol Abbaus verantwortlichen Gene aus den beiden Bakterienstämmen kloniert. Hierbei wurden die Gene für eine modifizierte Form der auch am Protocatechuat-Abbau beteiligten 3-Carboxymuconat-Cycloisomerasen („Typ II-Enzyme“) identifiziert, deren Genprodukte offenbar auch sulfonierte Muconate umsetzen können. Durch multiple Sequenzvergleiche wurde gezeigt, dass die beiden Typ II-Enzyme offenbar eine definierte Untergruppe innerhalb der 3-Carboxymuconat-Cycloisomerasen bilden und einige spezifische Aminosäureaustausche aufweisen.

Hierdurch konnte bewiesen werden, dass in der Natur für die Mineralisierung substituierter Benzolsulfonate offenbar ein modifizierter 3-Ketoadipat-Weg realisiert wird. Auch die Gene für das im Abbauweg des 4-Sulfocatechols folgende Enzym („Sulfomuconolacton-Hydrolase“) wurden in beiden Stämmen identifiziert. Für diese Gene konnte eine signifikante Sequenzhomologie mit Pyrondicarboxylat-Hydrolasen festgestellt werden. Dies deutet auf ein zuvor noch nicht beschriebenes „Patchwork-Assembly“ des 4-Sulfocatechol-Abbauwegs aus modifizierten Enzymen des 3-Ketoadipat-Wegs und Enzymen des extradiolen Protocatechuat-Abbauwegs hin. Weiterhin konnte durch uns und andere Arbeitsgruppen gezeigt werden, dass der von uns neu beschriebene Abbauweg für 4-Sulfocatechol offenbar eine weite Verbreitung im Abbau substituierter Benzolsulfonate besitzt (Contzen et al., 1996, 2001).

Publikationen
Biodegradation von Azofarbstoffen

Biodegradation von sulfonierten Aromaten

Weitere Arbeitsgebiete:
Analyse und Veränderung ringspaltender Dioxygenasen
Biotransformation von Nitrilen und Amiden

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